Dienstag, 21. Juli 2009

Der Bart ist ab... Zündschlüssel liefern Sicherheit

Statt hosentaschenfeindlichem Zackenbart tragen neue Autoschlüssel immer häufiger glattrasiert. Da macht sie keiner so schnell nach.

Zweimal pro Minute ist wieder einer weg. 135 Stück am Tag, 49.000 Autos im Jahr. Nach INPOL, dem Informationscomputer der Polizei, haben sich die Methoden der Automarder kaum verändert. Am schnellsten geben die Scheiben nach, dann folgt der „gewaltsame Aufbruch" mit Werkzeug und Bohrmaschine. Nur noch bei wenigen Luxusfahrzeugen geben sich die Herren Langfinger wirklich Mühe. Beschädigungen mindern den Wert der Ware, Ersatzteile sind teuer und daher die Mühe lohnend: ein Ersatzschlüssel muß her. Doch da hat sich in letzter Zeit einiges getan, vom altbekannten Bartschlüssel ist nur noch das Griffende übrig. Die neue Schlüsselgeneration trägt die Sesam–Öffne–Dich–Information in wellenförmigen Seitenbahnen an beiden Seiten des ansonsten zackenlosen Schlüssels. Nur wenn diese Wellenbahn auf Hundertstel Millimeter exakt zu den winzigen Metallzapfen im Schloß paßt, geht die Tür tatsächlich auf. Hobby–Schlosser sind da überfordert, übliche Schlüsseldienste allerdings auch. Und selbst wenn die erforderlichen Apparate für die neuen Schlüsselsysteme zur Verfügung stehen, darf der Schlüsseldienst erst dann Ersatzschlüssel fertigen, wenn er vom Herstellerwerk die Genehmigung erhalten hat. Ist der Schlüssel einmal weg, ist beim Schlüsseldienst um die Ecke also kein Ersatzschlüssel mehr machbar.
Dann hilft vielleicht der ADAC. Über den Daumen ist der größte Automobilclub Deutschland auch gleichzeitig der erfolgreichste Automarder: 34.879 Pkw haben die „gelben Engel" im letzten Jahr nach allen Regeln der kriminellen Kunst geknackt. Im Auftrag des Besitzers, versteht sich, der sich vorab allerdings indentifizieren muß. Könnte ja ein Klauer mit einer besonders eleganten Methode sein...
Ihre Fertigkeiten lernen die Straßenwachtfahrer auf speziellen Kursen unter peinlich genauer Vorauswahl. Schräge Vögel kommen, wenn überhaupt, dann nur als „Referenten" dazu. Die gesammelten Erkenntnisse faßt ein 400 Seiten starkes Buch zusammen, das jeder ADAC–Mann bei sich hat – unter Verschluß. Damit ist jedes Auto in Minutenschnelle offen. Manchmal genügen Sekunden. Und ein Trick, um den neugierigen Besitzer im Unklaren zu lassen: „Schauen Sie doch von der anderen Seite, da sehen Sie's besser." Bis derselbe ankommt, ist schon alles vorbei.

Das Sicherheitssystem Auto ist nur so sicher wie jedes Glied der Sicherheitskette". Winfried Geiger ist Vorsitzender des Arbeitskreises „Sicherheit und Schlüssel" im Fachverband des deutschen Eisenwarenhandels. „Was taugt ein fälschungssicherer Schlüssel, wenn der Dieb wesentlich einfacher an die Mechanik hinter dem Schloß herankommt." Tatsächlich sitzt da der größte Schwachpunkt: die anfällige Hebelmechanik in den Türen liegt für Fachleute geradezu einladend unter den offenen Fensterschlitzen. Mit Spezialwerkzeug genügt ein kurzer Ruck oder eine gezielte Manipulation an den Türriegeln. Die meisten Hersteller formen diese Riegel zwar heute so, daß Drahthaken abrutschen oder plazieren sie so, daß von oben nicht geöffnet werden kann. Schon reicht dem findigen Autoklauer eine abgebogene Autoantenne und ein gegenüberliegender Türschlitz.

Dasselbe gilt für Zentralverriegelungen. Sie erfordert vom Dieb zwar etwas gehobenere Fähigkeiten, stellt aber in den meisten Fällen kein Problem dar – ob mit oder ohne Autoschlüssel. In einigen sogar eine Art Einladung: bei BMWs der alten 5er–reihe genügt ein kräftiger Stoß an einer bestimmten Karrosseriestelle und schon stehen gleich alle Türen offen. Beim Nachfolger ist die Stelle noch nicht entdeckt.

Auch mit „P.L.I.P" ist das Problem noch nicht gelöst. So heißt der High–Tech–Autoschlüssel von Renault, benannt nach seinem Erfinder Paul Lipschutz. Ein kleiner Infrarotsender, halb so groß wie eine Streichholzschachtel schickt auf Knopfdruck eine codierten Infrarotblitz an einen im Auto installierten Empfänger. Der dient nur einem von 59.000 möglichen Herren und öffnet dann via Zentralverriegelung die Türen. Zwar ist ein herkömmlicher Schlüssel in nur knapp 1500 verschiedenen Ausführungen lieferbar und Doubletten damit wesentlich wahrscheinlicher, am anfälligen Hebelwerk ändert auch der Infrarotschlüssel nichts. Und er enthält ein weiteres Manko: die drei kleinen Batterien, die den Sender etwa ein Jahr mit Strom versorgen. Sind die mal alle, weiß auch Renault nur einen Rat: den üblichen Schlüssel in Reserve halten, falls sie dennoch früher ihren Geist aufgeben. Der „Schlüssel der Zukunft" wurde daher gleich als Schlüsselanhänger für die „guten, alten" Schlüssel gearbeitet.

Sicher ist nur, daß nichts sicher ist. Schon gar nicht das Auto. So hat Ingenieur Dieter K. Franke vom ADAC München jedes Jahr zur Urlaubszeit nicht nur die neuesten technischen Alarmanlagen, sondern auch guten Rat parat: „Diebstahl ist ein gesellschaftliches Phänomen und nur so zu lösen. Die fünf Euro Trinkgeld für den Parkwächter eines Hotels helfen besser als alles andere, was es zu kaufen gibt – von Elektronik bis Ultraschall."

Orignal From: Der Bart ist ab... Zündschlüssel liefern Sicherheit

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